Die Geschichten die wir uns selbst einreden

„Die Affirmationen, die wir uns täglich immer wieder vorsagen, sind die Programme, nach denen wir leben, und sie können uns entweder helfen oder uns daran hindern, etwas in unserem Leben zu kreieren, uns zu entwickeln und Neues zu erleben.“ – Dr Joe Dispenza


Veröffentlicht im Dezember, 2021 

Nach einem Vortrag, den ich kürzlich in Palm Springs, Kalifornien, gehalten habe, kam ein Mann auf mich zu und sagte: „Meine Frau liebt deine Arbeit und wird zu deinem nächsten einwöchigen Retreat in Cancún kommen.“
„Wirklich?“ antwortete ich. „Und wirst du sie begleiten?“
„Ich kann nicht“, antwortete er ganz sachlich. „Ich habe ein schweres ADS [Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom] und könnte nie so lange aufmerksam dabeibleiben. Ich bin ein Wrack.“ Mir fiel auf, wie sehr er das Wort „schwer“ betonte.
Als er zu Ende gesprochen hatte, fragte ich ihn höflich: „Warst du heute bei meinem Vortrag?“


Ich möchte deine Aufmerksamkeit auf dieses scheinbar harmlose Gespräch lenken, weil es ein perfektes Beispiel dafür ist, wie jemand sich im Kopf selbst in eine Schublade mit einer einschränkenden unbewussten Überzeugung steckt, die an eine vergangene Erfahrung oder ein Ereignis geknüpft ist und deren einziger Zweck es ist, uns daran zu hindern, uns wirklich zu verändern. Wenn eine solche Affirmation ausgesprochen wird, konditioniert das damit verbundene Gefühl das Gehirn und den Körper der betreffenden Person auf diese Überzeugung. Die Formel ist eigentlich ganz einfach: Je stärker die Emotion ist, die die Person empfindet, desto mehr erinnert sie sich an den Gedanken; und je mehr sie sich an den Gedanken erinnert, desto mehr wird er zu einer Affirmation. Das ist der Prozess, der uns auf unterbewusste Überzeugungen programmiert. Wenn wir diese Verfassung über längere Zeit beibehalten und immer wieder diese Gedanken denken, laufen solche Gedanken und Gefühle immer automatischer und unbewusster ab.

Werden solche Gedanken oft genug bekräftigt, wird die fast Pawlowsche Reaktion zur Identität einer Person, weil Gehirn und Körper die Reaktion in eine scheinbar nicht umkehrbare Verfassung konditioniert haben. Die Person erklärt sich selbst und der Welt: Damit identifiziere ich mich. In Wirklichkeit hat man sich selbst immer wieder auf einen Reiz und eine Reaktion, ein Bild und eine Emotion, einen Gedanken und ein Gefühl konditioniert. Für diesen Mann hatte das zur Folge, dass die Stimme in seinem Kopf immer dann, wenn er in der Öffentlichkeit etwas lernen sollte, sagte: Ich habe Aufmerksamkeitsprobleme, ich bin nervös und kann mich nicht entspannen. Ich kann mein Gehirn nicht herunterfahren. Ich kann meinen Körper nicht entspannen, weil ich so wachsam, nervös und ängstlich bin.

Als der Mann schließlich mit der Aufzählung der Gründe für seine mangelnde Konzentrationsfähigkeit bzw. Aufmerksamkeit fertig war, fragte ich ihn: „Ist das deine tägliche Affirmation?“ Er schaute mich mit einer Mischung aus Neugierde und Verwirrung an.

„Ist es das, was du deinem Gehirn und deinem Körper jeden Tag sagst, dass du in der Welt nur deshalb funktionierst, weil du glaubst, dass du eine Krankheit hast – eine Überzeugung, die darauf beruht, dass du dich mit deinen früheren Erfahrungen identifizierst? Wenn das der Fall ist, dann musst du auf irgendeiner Ebene glauben, dass dieser Zustand unveränderbar ist.“
Ich fuhr fort: „Und wenn du nun glauben würdest, dass es dir besser gehen könnte und du dir diesen Gedanken wirklich bewusst machst? Wenn du dir bewusst machen würdest, wie du sprichst, wenn du mehr darauf achten würdest, wie du handelst, und wenn du das Gefühl der Verzweiflung, das mit deinem Denken, Handeln und Fühlen einhergeht, voll und ganz erkennen würdest [was, wie er in meinem Vortrag Minuten zuvor gelernt hatte, seine Persönlichkeit ausmacht, die wiederum seine persönliche Realität kreiert] – dann könntest du dich vielleicht mit dem Gedanken vertraut machen, dass du tatsächlich lernen kannst.“

„Erzähl mir mehr“, sagte er. Jetzt hörte er mir tatsächlich aufmerksam zu.

„Wie wäre es, wenn du aufhörst zu glauben, dass du unter ADS leidest, und dir morgens 15 Minuten Zeit dafür nimmst, etwas Neues zu lernen? Wenn du sehen würdest, dass das möglich ist, könntest du dir selbst sagen, dass du lernen kannst, anstatt das innere Mantra Ich habe ein schweres ADS zu wiederholen. Und alles, was du tun müsstest, wäre, präsent zu sein und es oft genug zu wiederholen.“
„Lass uns noch einen Schritt weiter gehen“, fuhr ich fort. „Was wäre, wenn du das Gelernte mit deinen Freunden, deiner Frau und deinen Kindern teilen würdest? Wenn du es in deinem Kopf so oft wiederholst und die Informationen dadurch so gut kennst, dass du sie jemandem beibringen kannst? Und was wäre, wenn du dir vorstellst, wie du dich fühlen würdest, wenn du jeden Tag ein bisschen was Neues lernst? Würdest du dann nicht diese Unsicherheit durch Selbstvertrauen und Zufriedenheit mit dir selbst ersetzen – durch Vertrauen und ein größeres Maß an Ganzheit?“

Es ist eine einfache Formel: Ein neuer Gedanke (ich kann lernen) führt zu einer neuen Entscheidung (ich nehme mir Zeit zum Lernen), die eine neue Handlung unterstützt (ich setze mich hin und bemühe mich, etwas zu lernen), die eine neue Erfahrung schafft (ich teile die Informationen mit meiner Familie und meinen Freunden), die zu einem neuen Gefühl führt (Selbstvertrauen oder Zufriedenheit).
Gegen Ende unseres Gesprächs erzählte ich dem Mann von Freunden, die riesige globale Podcasts betreiben und enorm erfolgreiche Unternehmen gegründet haben. Auch bei ihnen wurde ADS diagnostiziert, aber anstatt sich immer wieder zu sagen Ich habe Aufmerksamkeitsprobleme bzw. ein schweres ADS, änderten sie ihre Gedanken in Ich kann mir Zeit nehmen und lernen und ich kann mir Informationen merken; ich werde jeden Tag etwas Neues lernen und es dann mit anderen teilen, damit ich mich gut fühle.


Der Mann nickte nur und seine Mundwinkel zogen sich leicht nach oben.

Die Affirmationen, die wir uns täglich immer wieder vorsagen, sind die Programme, nach denen wir leben, und sie können uns entweder helfen oder uns daran hindern, etwas in unserem Leben zu kreieren, uns zu entwickeln und Neues zu erleben. Ich möchte, dass du daraus mitnimmst, dass die Einschränkung dieses Mannes – eine unbewusste, immer wieder bekräftigte Überzeugung (ein immer wieder gedachter Gedanke) – auf einer Erinnerung aus der Vergangenheit beruhte. Sobald die einschränkende Überzeugung in dieser Schublade im Kopf steckte, hemmte sie sein Wachstum und schränkte seine Möglichkeiten für echte Veränderungen ein.

Wenn du also das nächste Mal deine Verfassung bekräftigst, indem du einen Gedanken denkst und ein Gefühl mit der Intensität der entsprechenden Emotion erlebst, während du dir sagst Ich bin..., Ich habe..., Ich kann nicht…, denk daran: Mit dieser Überzeugung programmierst du dein Gehirn und deinen Körper auf eine (einschränkte oder unbeschränkte) Zukunft, und diese Überzeugung wird zu deiner Identität.

Wenn du dich selbst bei solchen unbewussten Gedanken ertappst und dich dann daran machst, dir dein unbewusstes Selbst bewusst zu machen, ist das ein Sieg. Dann wirst du dir deiner selbst bewusst. Wenn du das tust, frage dich, ob du diesen Gedanken immer noch glauben willst. Wenn nicht, überlege dir stattdessen, wie du dich im Laufe der Zeit verändern kannst und wie du dich fühlen würdest, wenn du diese zukünftige Person wärst. Wenn du das oft genug machst, wirst du zu einer anderen Person.